Auf der Wasserstraße durch Europa

 

Text und Bilder: Robert Eixenberger

 

 

5 Jahre liegt nun meine Fahrradreise vom Schliersee nach Australien zurück, welche, das kann man sagen, mein Leben, meine Einstellung zum Leben und wie man das Leben anpackt, ordentlich verändert hat. Damals wollte ich weg, raus aus dem System, raus aus der Verantwortung, die das Leben zeichnet. Nun will ich raus aus der Gesellschaft und wieder rein in das Abenteuer, die Natur und dessen Ruhe und Liebe, die mir so viel gibt.

Was mich immer wieder einholt sind meine Träume, meine Vorstellung mein Leben zu etwas ganz besonderen zu machen, meine Ideen. Ich liebe es etwas in meinem Kopf reifen zu lassen, es zu formen und im inneren Auge schon einmal zu erleben. Für Einige sind dies Hirngespinste, Tagträumereien oder blanker Unfug. Dies ist es jedoch nur so lange der Fall, so lange man das was sich wie ein großer Schleier Tag und Nacht über die Gedanken legt nicht in die Tat umsetzt. Einer dieser Träume verfolgte mich schon seit der Zeit, während ich auf dem Fahrrad saß und nach Australien unterwegs war. Ich weiß, es klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, aber der Traum auf 2 Rädern auf die andere Seite der Welt zu fahren war schon Realität und es wurde Zeit für einen neuen Traum. Alles begann wieder einmal mit einer Idee. Als ich mit dem Fahrrade von Bosnien kam und in die Hauptstadt Serbiens einfuhr, Belgrad, erblickte ich einen den größten Ströme Europas, die Donau.

 

Während ich das Funkeln im Wasser betrachte, viel mir ein Satz ein, welcher mein Vater damals als kleiner Bub zu mir sagte, als wir am Auslauf des Schliersees standen und ein Papierschiff schwimmen ließen. „Do wennst as Schiffal weiter schwimma lasst dann kimmts irgendwann am schwarzen Meer raus“. Es ging ein Kribbeln durch den ganzen Körper und eine neue Träumerei war entstanden. Das muss ich ausprobieren. Die Gedanken machten die Zeit auf dem Sattel teilweise gut erträglich. Natürlich habe ich auch die Zeit im Hier und Jetzt genossen, aber jeder, der jeden Tag, 10 Monate lang zwischen 8 und 12 Stunden auf dem Sattel gesessen hat, stimmt mir bestimmt zu, dass man hier auch mal etwas abschweifen darf.

2018 sollte es dann endlich so weit sein. Leider machte mir hier das Wetter jedoch einen ordentlichen Strich durch die Rechnung. Es war so trocken, dass die Schlierach und Mangfall kaum Wasser führten. Mit viel Glück konnte ich das Projekt schon ein Jahr später dann doch endlich umsetzen. Die Basis war gut, fast etwas zu gut. Der wahnsinnig schneereiche Winter ließ im Frühjahr das Wasser geradezu in Strömen in Richtung Tal rauschen und das geballte Alpenwasser sollte mich Richtung Osten schwämmen...

 

 

Da ich normalerweise kein großer Fan von Planungen bin, musste ich mich in diesem Fall jedoch etwas zusammenreißen. Diese Art des Reisens habe ich zuvor noch nie gemacht und somit war mir klar, ich muss mich doch erstmal etwas damit auseinandersetzen. Zuerst musste ich mich um einen fahrbaren Untersatz bemühen und hatte großes Glück, dass der Kajakhersteller Prijon aus Rosenheim von meiner Unternehmung sehr begeistert war und mich mit dem notwendigen Equipment ausstattete. Meine üblichen Unterstützer waren auch wieder an Board und nach ein paar Testfahrten auf See und Meer konnte es eigentlich los gehen.

 

Es ist so weit, einmal nur noch schlafen und ich kann endlich das Umsetzen, worauf ich schon seit über 4 Jahren warte. Das Boot ist soweit fertig, Essen, Videoequipment und Klamotten sind verstaut, das Kajak ist bereits auf dem Rollwagen fixiert und wartet nur noch darauf an den See gezogen zu werden. Ich besinne mich auf das wesentliche und genieße noch einmal die Nacht in einem weichen Bett, bevor ich in der Früh meine Augen gut erholt wieder öffne. Eigentlich wollte ich um 6 Uhr früh starten, aber andererseits hab´ ich jetzt Urlaub also warum Stress machen. Es ist bereits 11, aber wen interessiert dies schon? Kein Mensch, den ich abholen müsste und kein Zug oder Flug, den ich verpassen könnte. Ab hier beginnt das, was ich absolute Freiheit nenne.

 

Mein Geist und Körper werden immer ruhiger. Nachdem ich die Kameras montiert und mich ausgiebig verabschiedet habe stoße ich mich ab, richte die Spitze des Bootes gegen Westen und mit einigen kräftigen Schlägen entfernt sich das Ufer in meinem Rücken immer weiter von mir. Ab der Hälfte der Strecke zur Schlierach muss ich kurz innehalten, da mich der Augenblick überkommt. Ein Kloß setzt sich in meinem Hals fest und es drückt mir die Tränen der Freude aus den Augen. Genau jetzt wird mir bewusst, was hier, jetzt, eigentlich passiert. Ich lebe abermals einen Traum...

Als ich die Mündung der Schlierach erreiche wird mir auch ziemlich schnell bewusst wie hoch das Wasser eigentlich steht. Das große Abenteuer kann beginnen. Mit viel Kraft und einigen brenzlichen Situation konnte ich meinen Grizzly über die Schlierach und Mangfall nach Rosenheim an den Inn manövrieren.

 

    

Brenzlige Situation auf der Schlierach                   Wehr an der Mangfall

Übernachtung an der Mangfall

Wildwasser auf der Mangfall

Kenterung Schlierach

 

Dort angekommen wird die Aussicht nicht sehr viel besser. Das ganze Wasser der Voralpen sammelt sich in diesem braunen reißenden Fluss. Es kostet mich etwas Überwindung, aber nach einer kurzen Pause lasse ich mich langsam von der Seite reintreiben. Es geht wahnsinnig flott voran. Ich fliege förmlich über den Inn dahin und erreiche schon nach 2 Tagen Passau und damit auch den letzten Fluss meiner Reise.

 

    

Übernachtung am Inn                                         Freie Fahrt auf dem Inn 

Letzte Rast vor Passau

Passau

Übernachtung nach Passau

Nach Passau fließt die Donau direkt nach Österreich hinein und damit habe ich auch die erste Ländergrenze überschritten. Hier wird mir aber sehr schnell bewusst, dass die Donau nichts mehr mit einem großen natürlichen Fluss zu tun hat, sondern einfach nur eine große Wasserstraße ist, welche zum Warenverkehr und für Kreuzfahrtschiffe genutzt wird. Ich versuche diesen Bereich recht schnell hinter mir zu lassen. Das Wetter spielt auch nicht so mit und ich muss neben den Wehren auch noch wegen den Blitzen aus dem Wasser.

 

Nach einigen Tagen erreiche ich Wien und gönne mir hier erst einmal ein Schnitzel. Vorbei an den Wiener Donau Auen geht es geradewegs in die Slowakei. Hier macht mir der Fluss wieder einen etwas natürlicheren Eindruck und auch die Kreuzfahrtschiffe werden weniger. Einige Kilometer hinter Bratislava finde ich ein Naturparadies namens Dunajské luhy und 2 neue Freunde.

 

    

Donau Auen                                   Übernachtung in der Slowakei                     Neue Freunde

 

 

Ab hier bricht aber auch die Hölle rein. Durch das Hochwasser ist die Moskitopopulation regelrecht explodiert. Man kann sich vorstellen, wenn es bei uns am See viele Moskitos gibt und man schon sehr genervt ist, dann nimmt man dies x10 und so wird man ungefähr an die Menge an Moskitos rankommen, welche hier am Wasser unterwegs sind. Ich darf hinter einer Fischerhütte mein Zelt aufschmeißen und mit meinen 2 neuen Bekanntschaften einen schönen Abend bei Fisch, Bier und Massen an Moskitospray zu Ende gehen lassen.

Es geht weiter, raus aus diesem unglaublichen Paradies und weiter nach Ungarn. Ich beschließe eine kleine Pause zu machen und quartiere mich für 2 Tage in Budapest ein. Das erste Stück wirkliche Zivilisation langer Zeit des Paddelns. Ich genieße die Zeit in dieser wunderbaren Stadt und ziehe mit neuer Motivation und Kraft weiter. Man merkt, wie die Donau immer größer wird und die Fließgeschwindigkeit sich reduziert. Es beginnt, dass es nicht nur für den Körper immer ansträngender wird, sondern auch der Geist strapazierfähig sein muss. Sobald man in die Nähe des Ufers kommt, attackieren einen die stechenden Biester, in der Mitte des Flusses attackieren einem riesige Bremsen, die großen Frachter fahren auch noch, man kann sich in dem dreckigen Wasser nicht wirklich waschen und dazu kommt, wenn man es probieren wollen würde, sieht man nach kürzester Zeit aus wie ein Nagelkissen. Es ist auch wahnsinnig schwierig seinen Kopf auf positive Gedanken zu bringen, da man neben den ganzen Widrigkeiten damit klarkommen muss, dass der ganze Tag nur aus dreckigen Wasser und Bäumen besteht. Dennoch reiße ich mich am Riemen und ziehe weiter meinen Weg durch und auch ein neues großes Etappenziel kommt immer näher.

Fischsuppe in Budapest

Zimmer in Budapest

Donau nach Budapest

Ich lasse Ungarn hinter mir und komme in eine wunderschöne Gegend. Auf meiner Reise habe ich schon einige Seeadler, Schwarzstorche, Eisvögel und so weitergesehen, aber hier im Dreieck zwischen Ungarn, Kroatien und Serbien ist ein Hotspot für seltene Tiere. Mit diesem grünen Eingang habe ich auch den ersten bewachten Übergang nach Serbien vor mir. Nach längerer unsicherer Fahrt habe ich die Polizeistation gefunden, in der ich mich für Serbien registrieren kann. Auch der Tag geht langsam dem Ende zu und ich suche mir im Wald einen Platz zum Schlafen. Es stellt sich raus, dass nicht nur die Vögel hier großen Mengen vorkommen, sondern auch die vierbeinigen Geschöpfe in nicht geringer Zahl unterwegs sind. Nachdem ein Hirsch an meinem Zelt vorbei ging, gesellten sich auch noch 2 riesige wütende Wildschweine zu mir und kämpften die ganze Nacht an der Seite meines Zeltes. Nachdem die 2 Streithälse um 6 Uhr in der Früh endlich in unterschiedliche Richtungen verschwanden, hab auch ich den Augenblick genutzt, um weiterzukommen.

 

 

Mit einer brennenden Moskito Schnecke konnte ich mir ein paar von den Plagegeistern vom Leibe halten und wieder auf dem Fluss meinen Weg fortführen. Zu diesem Augenblick habe ich mich bereits schon 5-6 Tage nicht mehr waschen können und habe 2 Tage nicht gegessen, da das Kochen unmöglich ist. Kurz gesagt, ich bin am Ende der Kräfte. Dennoch schaffe ich in diesem Zustand meinen Streckenrekord von etwas über 120 km. Ich muss aber eine Entscheidung treffen. Entweder, ich suche mir ein Zimmer und hoffe, dass ich wieder etwas Kraft sammeln kann, oder ich mache so weiter, wie bisher mit der Angst im Hintergrund, dass ich die Reise aufgebe, weil ich einfach gar keinen Spaß mehr an dem finde, was ich hier mache.

 

Ich habe mich für ersteres entschieden und bin sehr glücklich damit. Es ist nicht leicht in dieser Gegend ein Zimmer zu finden, aber irgendwie habe ich Glück und finde ein Hotel direkt am Wasser. Gott sei Dank lassen sie mich auch eintreten, da ich nicht unbedingt ein wohlriechendes und sehr ansehnliches Geschöpf bin. Als erste Amtshandlung gehe ich eine viertel Stunde duschen und danach schlage ich mir erst einmal den Magen voll. Bei einem Bier muss ich mir über einige Dinge klar werden. Ich entscheide mich, dass ich mir den restlichen Trip Zimmer buche und mir wieder den Spaß zurückhole. Das Jahr war anstrengend genug und wenn ich meine 6 Wochen Urlaub auch nur im Stress verbringe, ist das auch nicht das Wahre. Dem nächsten Tag starte ich noch mit etwas wenig Elan, aber nach kürzester Zeit treibt tatsächlich eine Seeadler Feder an mir vorbei und dieses Geschenk des Flusses gibt mir einen absoluten Kick und ich bin wieder zurück.

 

Meine Tage sind geprägt vom Paddeln, schauen, freuen und wieder ein Zimmer suchen. Dies ziehe ich durch, bis ich an diese Stelle komme, wo buchstäblich alles begann. Ich bin in Belgrad. Nun fehlt mir nur die Pfahlhütte, welche ich bei meiner Fahrradreise gesehen habe und dies alles entstanden ist. Ich finde die Hütte leider nicht, aber dafür ein sehr schönes Hausboot, auf dem ich übernachte. Nach einem guten Frühstück geht es weiter. Ich bin etwas frustriert, da ich die Hütte leider nicht gesehen habe, aber die Frustration kam zu früh. Plötzlich taucht sie auf der Seite auf und die Emotionen überkommen mich. Mir laufen die Tränen über die Wangen und ich sehe, wie ich mit dem Fahrrad oben am Weg stehe und zum Fluss herunterschaue. Es ist ein wahnsinniger Augenblick und alles überschlägt sich.

Mit diesen Eindrücken paddle ich nach einiger Zeit wieder weiter. Der Fluss wird weiterhin immer breiter und langsamer. Ich merke wie mein Körper langsam kraft verlässt und müde wird. Ich quäle mich nur noch voran und bekomme nicht mehr viele km zusammen. Nachdem ich das eiserne Tor zwischen Serbien und Rumänien passiert habe lande ich wieder in der EU. Nun ist die Donau der Grenzfluss zwischen Bulgarien und Rumänien. Ich komme dem Ziel immer näher. Nur leider bin ich an einem Punkt, wo mir die Zeit ausgeht und ich vor allem nur noch schlapp und müde bin. Hier muss ich wieder eine Entscheidung treffen. Der Plan ist, dass mich meine Freundin mit dem Van vom Delta abholt und wir gemeinsam wieder heimfahren. Jedoch habe ich noch nichts von Rumänien gesehen und war 5 Wochen nur auf dem Wasser unterwegs. Die Entscheidung fällt mir sehr leicht. Ich rufe meine Freundin an dass sie mich bitte abholen soll, weil ich gerne den Rest meines Urlaubs mit ihr verbringen will. Ich bin ca. 200 km vor dem Delta.

 

 

Zusammen fahren wir ins Delta, paddeln kurz vor die Ukraine, fischen, können auf dem Rückweg durch Rumänien Bären beobachten und genießen einfach nur das Hier und Jetzt.

 

Dieser Trip war mit seinen ganzen Höhen und Tiefen einfach nur ein irres Abenteuer.

Über dieses Abenteuer gibt es auch einen Film.

 

Dieser kann hier gestreamt werden: Victus Film Shop